Mein erstes Mahnverfahren Teil 2

This post is about legal procedings against a debtor and thus is intended for a German audience.

Dieser Blogeintrag befasst sich damit, wie ich eine namhafte deutsche VFX-Firma verklagen musste, da sie meine Rechnungen nicht bezahlte. Er stellt keine rechtliche Beratung dar und ich werde Fragen danach nur mit “nimm dir einen Anwalt” beantworten. Jede Sachlage kann anders sein, deshalb werde ich nie schreiben “mache X und Y”, sondern nur “ich habe X gemacht”.

In Teil 1 habe ich beschrieben, wie ich eine fällige Rechnung per Mahnantrag eintreiben wollte, worauf die Schuldnerin Widerspruch ohne Angabe von Gründen eingelegt hatte. Ich musste mir somit eine Anwältin suchen und vor Gericht ein streitiges Verfahren durchführen. Es sind 5 Wochen vergangen, seit ich den Mahnantrag auf den Weg gebracht habe, insgesamt bereits 11 Wochen seit Rechnungsstellung.

Die im folgenden angegebenen Kosten beziehen sich prozentual auf den Streitwert. Sie sind meist gestaffelt, aber ich finde die Prozentangabe macht es verständlicher als ständig absolute Eurobeträge in den Raum zu werfen.

Rechtsbeistand

  • Meine Anwältin bat mich zu allererst um alle relevanten Unterlagen, d.h. Vertrag, Rechnungen, bereits online gestellte Mahnanträge und Mails zwischen mir und meinem Auftraggeber.
  • Sie teilte mir mit, dass ich keinerlei Formfehler gemacht hatte, was mich sehr beruhigte. Auch dass ich bereits den Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids abgeschickt hatte, während der Widerspruch der Schuldnerin schon auf dem Postweg war, wird mir natürlich auch nicht zum Verhängnis.
  • Die gesamte Korrespondenz mit den Gerichten läuft nun über meine Anwältin, die mir dafür natürlich auch schon Rechnungen stellt.
  • Neben den ca. 12-13% Gerichtskosten, die das Mahngericht in Coburg verlangt, damit das streitige Verfahren an das Amtsgericht München abgegeben wird, berechnet meine Anwältin ca. noch einmal soviel als Verfahrensgebühr und Auslagenpauschale. Mehrwertsteuer kommt natürlich noch dazu bei ihrem Honorar (allerdings nicht auf die Gerichtskosten). All das wird mein Auftraggeber bezahlen müssen, sofern ich das Verfahren gewinne. Ich muss jedoch erst einmal in Vorleistung gehen.
  • Meine Anwältin erstellt nun eine Klageschrift, in der der Sachverhalt genauestens erläutert wird. Es werden auch schriftlich belegbare oder mündlich versicherte Aussagen meines Auftraggebers aufgenommen, die belegen, dass er durchaus zufrieden mit meiner geleisteten Arbeit war und mich sogar noch für weitere Arbeiten anfragte.

Zeit geht in’s Land

  • Drei Wochen nach meinem ersten Schriftwechsel mit meiner Anwältin kommt die Rückmeldung vom Amtsgericht Coburg, dass “Die Voraussetzungen für die Abgabe des Verfahrens” nun vorlägen, sprich: Klageschrift erhalten, alle Gerichtskosten vorgestreckt.
  • Weitere 1,5 Wochen später erhält meine Anwältin vom Amtsgericht München eine Kopie der Verfügung, die der Schuldnerin nun zugestellt wurde. Darin wird mein ehemaliger Auftraggeber aufgefordert, binnen einer Notfrist von 2 Wochen zu sagen, dass er sich gegen die Klage verteidigen möchte. Danach habe er weitere 2 Wochen Zeit, die Verteidigungsschrift einzureichen. Falls mein Gegner also Zeit schinden möchte, geht es erst in vier Wochen weiter.
  • Ich bekomme jedoch bereits nach 3 Wochen Post von meiner Anwältin! Mein Gegner hat die erste Zweiwochenfrist verstreichen lassen und somit automatisch das Verfahren verloren. Ich habe nun ein sogenanntes Versäumnisurteil in der Hand, und die Rechts- oder Buchhaltungsabteilung meines ehemaligen Auftraggebers bietet kleinlaut eine Ratenzahlung an. Der Plan sei, erst einen kleinen Teil zu zahlen und dann den Rest am Tag vor Weihnachten. Und von den fälligen Gerichtskosten natürlich kein Wort.
  • Meine Anwältin findet die Frist ungünstig, denn im Falle einer Nichtzahlung wäre über die Weihnachtsfeiertage erstmal niemand da – weder bei Firma, Gericht oder Gerichtsvollzieher. Wir erstellen eine Alternativforderung, in dem wir eine erste größere Rate binnen zehn Tagen und den Rest vier Wochen später – mit Sicherheitsabstand zu den Feiertagen – fordern. Die Anwaltskosten für diese Einigung (nochmal ca. 3% der Gesamtforderung) werden aufgeschlagen.
  • Es sind zu diesem Zeitpunkt 8 Wochen vergangen, seitdem ich meine Anwältin mit dem Verfahren beauftragt hatte. 13 Wochen seit Abschicken des ursprünglichen Mahnantrages. 19 Wochen seit Rechnungsstellung.

Zahlungsverbot? Pfändung?

  • Eine Woche geht in’s Land, ohne dass die Schuldnerin auf unsere modifizierte Ratenzahlungsvereinbarung reagiert hat. Über die Gerüchteküche höre ich, dass mein ehemaliger Auftraggeber die Zweigstelle, für die ich gearbeitet hatte, Ende des Jahres schließen wird. Ich befürchte, dass es dann umso schwieriger werden wird, mein Geld einzutreiben.
  • Meine Anwältin sieht in Anbetracht dessen ebenfalls Eile geboten und rät zu einem Vorläufigen Zahlungsverbot gegen die Hausbank der Schuldnerin, sofern es nicht zu einer Ratenzahlung kommt. Zum Glück hatte ich die Kontonummer meines ehemaligen Auftraggebers zur Hand, da ich einmal Post auf dessen Briefpapier bekommen hatte.
  • Ein Zahlungsverbot sei, so erfahre ich, schneller (ca 1 Woche) als eine Pfändung (3-4 Wochen) und blockiert den geschuldeten Betrag auf dem Konto. Mit anderen Worten: Die Firma kann nur auf ihr Konto zugreifen, solange sichergestellt ist, dass noch genug Geld für mich da wäre.
  • Das Schreiben, in dem die Deutsche Bank und deren Vorstand als “Drittschuldnerin” tituliert wird, ist das coolste Stück Juristendeutsch, dass ich je gesehen hatte. Doch es kommt anders. Pünktlich am Tag der ersten Ratenzahlung schickt mein ehemaliger Auftraggeber meiner Anwältin einen Screenshot der Überweisung. Er weiß wohl, dass er bei einem vollstreckbaren Urteil kaum noch Spielraum hat.
  • Das Geld ist einen Tag später auf dem Konto meiner Anwältin und geht von dort an mich. 20 Wochen nach Rechnungsstellung habe ich somit zwei Drittel des Geldes erhalten.

Happy End

Am vereinbarten Fälligkeitstag für das restliche Geld hakt meine Anwältin noch einmal per Mail bei der Schuldnerin nach. Prompt erhält sie einen weiteren Screenshot und am Tag darauf ist das Geld auf ihrem Konto. Ein Happy End, beinahe 6 Monate nach Rechnungsstellung.

Meinen ehemaligen Auftraggeber kostete das alles 30% mehr als wie wenn er mich direkt bezahlt hätte. Ich bekomme ein paar Euro als Verzugszinsen, doch die wurden nicht etwa seit Fälligkeit der Rechnung sondern erst seit Beginn des Gerichtsverfahrens berechnet.

Einen handfesten Ratschlag kann ich allen geprellten Freelancern geben: professionell sein. Das heißt, nicht lange beim Firmengründer um Geld betteln, nicht auf Facebookgruppen Wut ablassen, sondern den Weg beschreiten, den das Rechtssystem in diesem Land seit Jahrzehnten für genau solche Fälle vorsieht. Es dauert, es erfordert Vorleistungen, aber es funktioniert.

2 Comments

  • Maren says:

    Danke für’s Teilen!
    Ich freu’ mich für dich, dass sich alles zum Guten gewendet hat und sich die Mühen gelohnt haben.

  • Stefan says:

    Bittesehr 🙂
    Es freut mich wenn mein Bericht hilfreich ist. Aber ich hoffe auch, dir und anderen bleibt sowas letztendlich erspart.