Preise in Shanghai
Ich habe schon ein paar Preise erwähnt, aber hier mal eine Zusammenfassung was das Leben denn so kostet. Ein Yuan (gesprochen wird das hier wie “üän”, also nix mit “jott” vorne sondern eher wie japanische Yen) ist zur Zeit etwa 10 Cent wert oder umkehert: 10 Yuan sind ein Euro. Das macht die Umrechnung schnell und einfach.
- Flasche Cola: 3 Yuan.
- 10 Paar Stäbchen im Supermarkt: 6 Yuan.
- Abgepackte Westlersandwiches beim Bäcker: 5-7 Yuan.
- In einer leckeren Nudelküche um’s Eck gibt es ein Menü aus Nudeln, Suppe und Eistee für 16 Yuan. Kleine Speisen, von denen man meist mehrere in der Runde bestellt und von denen sich dann jeder mal bedient, kosten 10 bis 20 Yuan.
- Bei McDonalds kostet ein groβes Menü um die 24 Yuan.
- Starbucks-Cappuccino: 25 Yuan.
- Kaffee bei der taiwanesischen Kette “85 degrees“: 8 Yuan.
- Bier im Westlerlokal: 35 Yuan
- Mittleres Preissegment im guten Restaurant: 40 bis 80 Yuan, bis 200 Yuan für’s Steak.
- Cocktail: 50 Yuan.
- All you can eat and drink beim Japaner: 150 – 200 Yuan
- Flasche Importwein aus Chile oder Australien im Restaurant: 300 Yuan.
- Metroticket je nach Linie und Zahl der Stationen 2-4 Yuan pro Fahrt. Am besten mit einer aufladbaren 100 Yuan RFID Karte, denn die Metro hier ist sehr modern. Das Bussystem ebenfalls, hier kostet eine Fahrt 1 Yuan.
- Taxifahren. Mindestens 12 Yuan, da sind dann bereits die ersten 3 km mit drinnen. Die bereits erwähnten Nervelkitzel gibt es also für eins fuffzich. Das sollen die in München erstmal nachmachen.
- Eintritt im Jing An Tempel: 20 Yuan.
- Prepaid-Karte mit Startguthaben: 65 bis 155 Yuan, je nach Numerologie.
- Fahrrad ab 400 Yuan. Elektroroller ab 1200 Yuan.
- Markenschuhe in der Mall: 1500 Yuan, also mindestens soviel wie man auch in Deutschland zahlen würde. Auch moderne Elektronik ist nicht billiger, so daß sie für weite Teile der Bevölkerung unerschwinglich ist.
- Mittleres Monatseinkommen: 6000 Yuan (Wobei “mittel” nicht statistisch korrekt ist. Wieviel das mittlere Einkommen genau beträgt, in Anbetracht der Hundertschaften von Strassenkehrern und der ebenso groβen Zahl von reichen Chinesen und Westlern hier, das gilt es noch herauszufinden… Aber 6000 ist eine Zahl, die man auf dem “Heiratsmarkt” am People’s Square schonmal nicht verschweigen würde.)
- Miete für eine 2-Zimmer-Wohnung in einer Wohnsiedlung (westlich, mit Abstrichen bei Schall- und Wärmeisolierung): 6000 Yuan aufwärts.
Noch ein Shanghai-Blog
Während bei mir das Schreiben etwas spärlicher wird könnt ihr euch das Blog meines Kollegen Michael Vorberg zu Gemüte fuehren. Da gibt’s eine Menge Fotos von Orten, die ich noch nicht besucht habe und Einsichten in den Wahnsinn, den man hier bei der Produktion von Werbespots über sich ergehen lassen muss.
Taikan Lu
In einem Irrgarten aus Hinterhöfen und kleinen Gassen abseits der Taikan Lu hat sich ein Künstler- und Galerienviertel etabliert, das einen Besuch wert ist. Es sind viele asiatische und angenehm wenig westliche Touristen unterwegs, die meisten Läden sind leer, und dennoch werde ich von den VerkäuferInnen weder ungefragt beschwatzt noch zum Kauf von Jadestatuen und Rolex-Fakes animiert. Nein, das hier ausgestellte hat durchaus Stil, doch wer weiß ob die “locally designed” Seifenschalen und stylischen Nudelschüsseln und Stäbchen tatsächlich das Geld wert sind, für das sie hier angeboten werden, oder ob es das selbe nicht nächsten Sommer im IKEA-Katalog gibt. Auch scheinen sich zu viele der hier ausstellenden Fotografen auf das Prinzip “Schwarzweiß-Foto mit einem farbigen Blickfang” spezialisiert zu haben.
Es gibt auch zahlreiche kleine Restaurants, die auf westlich getrimmt sind, mit Speisekarten auf Schiefertafeln und Lounge-Atmosphäre. Alles schonmal gesehen. Fast so, als gäbe es irgendwo ein Franchise-Unternehmen, das weltweit die selben Künstlerviertel aufstellt. Und dennoch finde ich es gemütlich hier. Das kann mir auch ein Shorts tragender Tourist nicht vermiesen, der mich beinahe umrempelt, als er wie ein Dampfross um eine Ecke schießt, im Anblick der Lampions seine Spiegelreflex hochreißt und ohne stehen zu bleiben losknipst. Vermutlich lädt er das Bild im selben Moment noch auf flickr hoch, wo es sich zu tausenden dieser Art von Fotos gesellt, die tausende Andere vor ihm bereits an dieser Stelle gemacht haben. (Manche werden das Foto später am Computer entsättigen, und nur die roten Lampions farbig lassen. Dutzende flickr-Kommentatoren werden das dann faszinierend finden. Aber ich schweife ab…. 🙂 )
Zum Mittagessen kehre ich in der “Kommune” ein, einer Bar/Lounge/Restaurant-Kombination mit nettem dunklen Holzinterieur. Ein junges Volk sitzt mit Macbooks rum und surft im WiFi. Ich bestelle mir das Curry des Tages, das in einer stylischen Nudelschüssel serviert wird. Es schmeckt gut. Ich frage die Kellnerin nach Stäbchen, diese ist irritiert und meint, da müsse sie erst in der Küche fragen.
STOP. Es reicht. Ich komme mir vor wie in einem freundlichen potemkinschen Dorf, einem Disneyland, das man genau für Leute entworfen hat, die solches Ambiente nett finden. Ja, ich gehöre dazu. Aber es verströmt gleichzeitig ein Gefühl von Künstlichkeit in diesem ansonsten so wuselnden, stinkenden, lauten, kontrastreichen Shanghai. Ich biege um ein paar Ecken, und stehe zwischen zwei langen Reihenhäusern, die wie das Künstlerviertel gebaut, jedoch trist weiß verputzt sind. Die paar Menschen dort beachten mich nicht. Ich komme mir vor, als hätte ich das Bühnenbild verlassen und würde nun einen Blick auf die Rückseite einer Kulisse werfen. Ich kehre mit schlechtem Gewissen um, verlasse die Gassen und rufe ein Taxi.
Die Taikan Lu hat durchaus ihren Reiz. Ein bisschen Tollwood-Flair. Aber sie ist letztenendes eben eine Location, die sich genau darauf spezialisiert hat, in jedem Reiseführer erwähnt zu werden, und die sich so asiatisch und westlich zugleich gibt, dass sie uns Touristen gut gefällt. Mir auch. Bis zu einem gewissen Grad eben.
Die dubiose Ecke
Heute ging es mit der gesamten Belegschaft zu “Großmutters Restaurant”, mal wieder traditionell speisen. Ein Drehteller steht auf dem Tisch, und unsere chinesische Office-Dame bestellt einmal quer durch die Speisekarte. Grüne Bohnen in Wasabisoße, Tofu süß-sauer, Curry-Fischsuppe, Erdnüsse in Sojasoße, Fleischscheibchen mit Chilis, und so weiter und so fort. Highlight des Abends: die Ganze Hühnersuppe, die ihrem Namen alle Ehre macht. Ich passe, und die meisten chinesischen Kollegen ebenfalls.
Für den Rückweg zum Hotel möchte ich ein Taxi nehmen, merke dass ich in einer mehrspurigen Einbahnstraße in die falsche Richtung stehe, und entscheide mich für den Fußmarsch durch Seitenstraßen. Die Entscheidung überdenke ich bereits nach ein paar Metern, denn die wenig beleuchtete Seitenstraße erzeugt zum ersten Mal seit meiner Ankunft in Shanghai ein mulmiges Gefühl in mir. Doch noch gibt es hier genügend kleine Läden, in denen noch Betrieb herrscht. Vor einem Eisenwarenhandel schweissen ein paar Leute an einem Taxi herum.
An der nächsten Kreuzung, einem kleinen Platz, der mit Open-Air-Grills noch richtig belebt ist, müsste ich links ab – doch hier greift nun endgültig mein Fluchtreflex. Die Gasse ist pechschwarz.
Also laufe ich weiter geradeaus, und auch hier bin ich bald alleine unterwegs. Ein Müllhaufen türmt sich an einer Mauer auf. Die Dächer der anliegenden niedrigen Häuser sind voller Gerümpel und Gerüste. In einer Behausung, die man nur als Verschlag bezeichnen kann, läuft ein alter Fernseher, der seinem einzigen Zuschauer das Bild beinahe vollständig durch heftiges Rauschen vorenthält. Ich biege um eine Ecke in die nächste größere Straße, die mich – wenn mich die Orientierung nicht täuscht – wieder eher Richtung Hotel bringen wird.
Hier laufe ich plötzlich neben adretten Mauern, an einem Tor zu irgendeiner Akademie stehen sogar Soldaten Wache. Dennoch sind meine Schritte bestimmter und hastiger. Noch eine weitere Straßenecke, und ich bin wieder in bekanntem Terrain, in der Nähe von Büro und Hotel. Hier sind noch Gemüseläden hell beleuchtet, und Mütter kaufen mit ihrem Kind auf dem Arm um Mitternacht noch Grünzeug ein.
Rückblickend war mein mulmiges Gefühl wohl übertrieben. Zig Taxis kamen mir auf meinem Weg entgegen, und alle Passanten waren eher Pärchen auf dem Heimweg. Ich habe zu viele Filme geguckt, und schon verselbständigen sich die ewig gleichen Bilder von Seitengassen, in denen das Böse lauert… Ich glaube nicht, dass man Grund hat, sich in Shanghai unsicher zu fühlen. Sagt zumindest der Lonely Planet. Und der muss doch Recht haben 🙂
Panoramas
Auf einem Weg in die Künstler- und Galerienecke m50 wird mir langsam klar, wie 20 Millionen Einwohner in Shanghai Platz haben…
m50 selbst ist ein ehemaliges Fabrikgelände, auf dem sich mehrere Galerien und Atelies angesiedelt haben. Von traditioneller chinesischer Stickerei über allerhand Skulpturen bis zu Medienkunst ist alles vorhanden. Eintritt: nada. Das Wetter war nochmal perfekt, was dann aber wohl das letzte schöne Wochenende hier gewesen ist. Ab Montag hat der Dauerregen eingesetzt und mit T-Shirts ist es erstmal vorbei.
Lach- und Sachgeschichten
Mirinda und 7UP, dessen Schriftzeichen hier “7 Happy” bedeuten. Westliche Hersteller benötigen ein bisschen Kreativität, um in China populär zu sein, denn mit einer bloßen lautmalerischen Umsetzung des Namens in chinesische Schriftzeichen ist es nicht getan. Der Legende nach hatte es Coca Cola vor einigen Jahren auf die einfache Tour versucht, doch der Name bedeutete irgendetwas mit Kaulquappe. Heute nennt sich das Getränk “kě kǒu kě lè”, was fast so klingt, aber “möge der Mund sich freuen” heißt. Ein Abstecher in’s Wörterbuch verrät uns, dass auch andere Marken einen wohlklingenderen Namen für sich erdacht haben: BMW nennt sich z.B. “bǎo mǎ” (wertvolles Pferd).
So, das waren die Sachgeschichten. Deshalb hier noch ein Foto zum schmunzeln:
Jing An Tempel
Woran es auch immer liegen mag, seit ein paar Tagen ist es auf den Straßen plötzlich doppelt so voll. Die Fahrradfahrerhorden sind erst recht nicht mehr hinter der Haltelinie zu bändigen, so dass nun statt Verkehrshelfern am Bordstein auch waschechte Polizisten eingesetzt werden. Nur sie schaffen es, den Busfahrern ihr Recht zu bewahren, trotz Rot einfach weiterhin hupend über die Kreuzung zu brettern. Nur selten erlahmt der Verkehr komplett für wenige Sekunden. Doch es kommt schnell wieder Bewegung in die Sache.
Die Menschen hier sind es einfach gewohnt, sich irgendwie durchzuwuseln. Sie haben den 6. Sinn, der es ihnen ermöglicht um Haaresbreite durch Lücken zu drängeln, ganz egal ob sie Roller, PKW oder Bus sind. Gut, die Roller haben manchmal das Nachsehen, aber es gibt nichts, was ein paar Lagen Tesafilm nicht beheben könnten. (Und es gibt kaum einen Roller, der nicht schon beängstigend großflächig mit Klebeband repariert wurde!)
Dennoch muss ein Ausweg her. Zuflucht findet der gestresste Großstädter – ja, in einem Massagesalon. Aber ich dachte eher an einem der buddhistischen Tempel, die es hier in Shanghai gibt. Der mir nächste (und ein ziemlich berühmter dazu) ist der Jing An Tempel. Früher bestimmt wie in alten Kung-Fu-Filmen zwischen malerischen Hügeln gelegen (“Temple of Peace and Tranquility”), steht dieser Tempel heute zwischen 3 Baugruben und einer riesigen Mall. Die Mauern mit ihren Löwenstatuen sehen dennoch gewaltig aus. 20 Yuan kostet der Eintritt, und ich habe Glück, nicht inmitten einer Ladung Touristen gelandet zu sein.
Drinnen angelangt verstummt die Großstadt zwar nicht, aber es wird deutlich ruhiger. Eine große Säule steht in der Mitte des quadratischen Platzes, aus zwei Bottichen quillt Weihrauch. Gegenüber führt eine hohe Treppe in den Haupttempel mit einem Saal voller Heiligenstatuen und Gebets- und Opfermöglichkeiten. Eine Handvoll Westler ruht sich auf Stufen aus, eine Handvoll Chinesen kniet sich vor Schreinen hin oder verbeugt sich mit Weihrauchstäbchen in alle 4 Himmelsrichtungen. Die Stäbchen gibt es für einen kleinen Obolus am Eingang und wer es Ernst meint, kauft gleich ein ganzes Büschel. Ich halte meine pyromanische Ader in Zaum, denn ich kenne die Zeremonie aus Vor’s-Gesicht-Halten und In-4-Richtungen-Verneigen nicht und möchte keinesfalls den Zorn von Dämonen auf mich ziehen.
Die Säule in der Mitte des Platzes ist da schon einfacher. Sie dient als eine Art Tempelsparschwein Klingelbeutel im Großformat. Ein Münze in eine der Öffnungen zu werfen sieht einfacher aus als es ist, doch ich versuche mein Glück. Beim 5. Mal (die ersten 4 zählen beim Glücksgott hoffentlich nicht) schaffe ich es, und mein Yuan klimpert in den großen Bronzebottich. Spenden macht Spaß! Das sollte man mal unserem Herrn Papst vorschlagen.
Mein Besuch ist zu Ende, und ich wandere noch einmal außen um die Tempelmauern. Es ist ein seltsames Verhältnis zwischen Moderne und Tradition, das sich hier widerspiegelt, denn während an der Nordseite mehrere Juwelierläden in die Mauern eingelassen sind, gibt es auf der Südseite nicht nur ein Kaufhaus, das sich sehen lassen kann, nein, es gibt auch Hello Kitty Schmink- und Fotoboutiquen. Die kleinen Zelte sehen aus wie die römische Armee, die das Dorf von Asterix und Obelix umringt hat. Ich frage mich, ob den Chinesen das nicht selbst etwas krank vorkommt, oder ob sie es einfach ganz anders interpretieren. Aus einer Wirtschaftswunderposition heraus nämlich, wo man sich solche Fragen einfach noch nicht stellt…