Straßenküche
Ein Spaziergang in Richtung der Altstadt führt mich zuerst in die Nanjing West Road, dem bislang touristischsten Teil von Shanghai, den ich besucht habe. Die schön gepflasterte Einkaufsmeile ist voller westlicher Läden, aus denen einem Singing in the Rain oder Britney Spears entgegen plärrt, alle fünf Meter weicht man entweder einem dicken Touristen mit Kamera aus oder einem der fliegenden Fake-Rolexverkäufer. Disneyland pur. Es ist schlichtweg grauenhaft.
Also nichts wie rein in die nächste Seitenstraße. Ah, kleine Lebensmittel- und Eisenwarenläden, staubige Luft plus der subtile Geruch von Abwasser. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal bevorzuge, und schon gar nicht nach lediglich 2 Wochen. Ein paar Ecken weiter stehe ich plötzlich wieder in Menschenmassen, hier jedoch größtenteils chinesische Touristen. Und dann diese Straßenküche.
Erst gehe ich vorbei, doch dann denke ich was soll’s und stelle mich erstmal abseits hin, um die Einheimischen zu beobachten. Wie funktioniert die Auswahl, wieviel Yuan legt er hin? Denn ich kann mir vorstellen, mich hier wieder nur mit Händen und Füßen verständigen zu können. Als ich dran bin reicht allerdings das bereits eingeübte “yi gè” und ein Fingerzeig auf die gewünschte Nudelsorte und die Show beginnt. Schwuppdiwupp ist der Wok hinter dem Wagen in irgendeinem dubiosen Wassereimer ausgewaschen, kurz erhitzt, Öl rein, Sojasoße, Chili, Sojasprossen, irgendein Kohl und die Nudeln. Für 5 Yuan (50 cent) bekomme ich eine Riesenportion mit Stäbchen in einer kleinen Styroporschachtel und freue mich über die besten Nudeln, die ich hier jemals hatte. Kein knorpeliges Fleisch, kein stinkender Tofu. So, wie es der westliche Magen mag.
Trademarks
So langsam wird mein Blog zum Fotoalbum. Nach 2 Wochen in Shanghai habe ich mich bereits so gut eingelebt, dass mir Texte, die ich vor ein paar Tagen noch aufgeregt notiert hatte, um sie bei Gelegenheit in’s Blog zu stellen, schon wie kalter Kaffee vorkommen. Also Fotos! Die sind immer gut 🙂
China ist gemeinhin bekannt als Markenkopierer. Der Weg, den das Logo von Lacoste zu Cliocoddle unternommen hat, erinnert ein bisschen an Flüsterpost (man stelle sich einen Chinesen vor, der “crocodile” ausspricht).
Aber natürlich ist nicht alles kopiert. Die Vorliebe für den guten deutschen Umlaut kann man ihnen nicht verübeln, wenn man bedenkt, wieviele chinesische Schriftzeichen bei uns als Gestaltungselement oder Tattoo verwurstet werden…
Womit wir bei der dritten Kategorie an Markennamen wären: Niedliche Rechtschreibfehler. Oder Absicht? Man wird es nie erfahren… Die meisten englischen Texte, die einem auf Schildern oder Flyern begegnen, sind hier allerdings ziemlich gut. Die Extremform, Chinglish, ist mir hier in Shanghai bislang nicht untergekommen.
Hupen im Straßenverkehr
Chinesische Autofahrer hupen viel, aber anders als wir. Sie denken für andere Verkehrsteilnehmer mit und hupen vorausschauend. So wird z.B. gehupt wenn der Fahrer das Gefühl hat, ein Fahrrad vor ihm würde gleich bei einem parkenden Auto ausscheren oder der Vater, der sein Kind auf dem Dreirad am rechten Straßenrand schiebt sollte wissen, dass man gleich an ihm vorbei schneidet. Niemand hupt an einer Kreuzung, wenn er aufgehalten wird, weil die 2 Dutzend quer verkehrenden Radfahrer bereits 5 Sekunden vor grün bis zur Mitte der Straße vor gequollen sind. Nur ein Verkehrshelfer in gelber Veste trillert manchmal die Bande zurück hinter die Wartelinie.
Dafür sind andere, den gemeinen Fußgänger schützenden Regeln quasi nicht existent: weder beim links- noch beim rechtsabbiegen wird auf schwächere Rücksicht genommen. Die Autos brettern zwar nicht über die Zebrastreifen, aber sie schieben sich gnadenlos durch den Fußgängerstrom, der auch bereitwillig wartet.
Chinesisch Essen 3
Natürlich gibt es auch McDonalds in China, genauso wie dutzende KFCs und Starbucks. Obwohl die Auswahl an chinesischen, vietnamesischen oder thailändischen Schnellrestaurants groß ist, kann man als Westler natürlich nicht widerstehen, auch mal den hiesigen Mäckie auszuprobieren.
Die Karte ist touristenfreundlich zum draufzeigen vorhanden. Mein Kollege nimmt ein Burgermenü, ich den McChicken. Er hat mehr Glück. Der McChicken ist nämlich im Gegensatz zum Hackfleisch anders als in Deutschland. Er sieht auf den ersten Blick aus wie ein Stück Hühnerbrust, doch eine glibberige Schwarte ist mit dran. Schmecken tut er auch anders, und das nichtmal schlecht. Mehr Sojasoße, weniger Mayo, aber einmal reicht mir.
Zum heutigen Mittagessen ist also eine Alternative angesagt. Direkt neben dem McDonalds gibt es eine kleine Küche für Dumplings und Suppen mit Überraschungsfleischeinlage. Während ich noch am Überlegen bin, ob ich mir das antun soll – schließlich gibt es hier keine verständlichen Buchstaben weit und breit – bemerke ich, dass eine großgewachsene Chinesin im schicken Businesskostüm 2 Nudelsuppen bestellt. So schlimm kann die Location also nicht sein. Ich stelle mich an (d.h. ich lungere irgendwie vor den Dumplingkörben herum) und warte. Die Brühe, die sich die Chinesin in Plastikbecher schütten lässt, sieht ein bisschen undefiniert aus. Ich überlege, ob ich Suppe oder Dumplings will. Der Koch bemerkt mich, und nimmt mir die Entscheidung ab.
Er zeigt auf die Dumplingkörbchen, ich nicke, strecke den Zeigefinger hoch und sage “yi gè” (“ein Stück”). Zahl + “gè” ist hier die Standardzählweise, und sehr nützlich wenn man die dutzenden verschiedenen Zählwörter für runde, flache, große oder kleine Dinge nicht kennt. Der Apostroph zeigt einen abfallenden Ton an, so dass sich gè eigentlich eher wie ein “gu” anhört, das einem im Rachen stecken bleibt.
Zumindest die Geste wurde verstanden und der Dumplingkoch schiebt einen Korb Maultaschen über das brodelnde Wasser. Dann fragt er mich noch etwas, und ich verstehe natürlich gar nix. “To go or to eat here” schallt es mir plötzlich von links entgegen. Die große Chinesin übersetzt für mich mit einem Lächeln, und ich lächle zurück. To go. “Seven yuan” sagt sie mir noch und packt ihre Nudelsuppen ein. “Xiè xiè” bedanke ich mich, sie grinst und schon wird meine hilfreiche Fee vom Fußgängerstrom davongetragen.
xièxie – Dankeschön
[gesprochen: che che, das ch wie in “ich” mit einem Tick vom scharfen S]
xièxiè – der Durchfall
[gesprochen: che che, das ch wie in “ich” mit einem Tick vom scharfen S]
Shanghai Photos 2
Fotos aus unserem Büro und von einem kleinen Wohnblock in der Nähe, der noch nicht durch Hochhäuser ersetzt wurde.
Wie das dann aussieht, wenn Hochhäuser hochgezogen werden, zeigen die folgenden beiden Panoramen. Eigentlich bräuchte es einer kompletten 360 Grad-Ansicht, um das Gefühl wiederzugeben, das man als kleiner westlicher Tourist in diesem Betondschungel bekommt.
Es ist eben eine ganz andere Art der Stadtplanung, und was in Deutschland eine Bausünde in Beton wäre, ist hier blanker Fortschritt. Ich komme mir, wie vor ein paar Tagen schon gesagt, nicht so eingeengt vor, wie in den Straßenschluchten Manhattens. Nichtmal das Wort Moloch würde ich verwenden wollen, auch wenn die letzten Tage ein nebliger, staubiger Smog die Sicht etwas trübt. Gut dass die Shanghainesen sich Elektromotoren an alles schrauben, was auf 2 Rädern rollt. Schade, dass sie sich dadurch Nachts in lautlose Fußgängerfallen verwandeln, und Licht anzuschalten würde ja sowieso nur die Reichweite mindern. Auch die meisten Busse haben übrigens saubere Oberleitungen.
Chinesisch Essen 2
Hier haben wir eine kleine Ausbeute vom Supermarkt gegenüber. Es macht Spaß, Dinge auf Verdacht zu kaufen und zu sehen wie sie schmecken. Hunderte von Nudelsuppen warten ebenfalls auf Degustation. Zum Glück ist vieles auch Englisch beschriftet. Beef with Sauerkraut gefällig?
Auf Apfelschorle musste ich jedoch bislang verzichten. Das Cider ist pervers süß und das was ich für Wasser hielt (bläulich schlicht und ohne bunten Schnickschnack können doch nur Wasserflaschen sein, oder?) schmeckt wie Sprite. Lehre: Wort für Wasser lernen und am Kiosk bestellen. Shui heißt das nämlich. Einfach zu merken und sprechen, nicht nur für Anhänger fernöstlicher Einrichtungsphilosophien. Und zusammen mit der Mengenangabe ergibt sich eine Flasche Wasser:
yi píng shuǐ
[gesprochen: ii ping schui]
Aber Vorsicht, ping heißt auch Apfel. Aber solange es nicht Dumpfbacke heißt… 🙂
Die Chinesischen Oreos schmecken übrigens wie gewohnt. Snickers, M&Ms und das ganze bekannte Zeug liegt hier ebenfalls in den Regalen. Verhungert wird vorerst nicht.
3 Kleine Details
- Gegenstände, besonders Visitenkarten, und Geld werden mit beiden Händen überreicht und angenommen.
- Vor unserem Büro wird immer an die selbe Stelle auf der Stufe gespuckt. Jeden Tag auf’s neue. Vielleicht entsteht bis ich hier fertig bin ein Stalaktit. Immerhin besser, als wenn – ebenfalls bereits beobachtet – eine Mutter ihr Kleinkind auf den Gehsteig pinkeln lässt.
- Man braucht keinen Adapter für die Steckdosen. Es passen (zumindest hier in der Stadt) sowohl die dreipoligen als auch die Eurostecker rein.