habi?
Heute ging’s auf nen Absacker in eine Eckkneipe hinter’m Büro, die von 3 Mädels geführt wird, und die es charmant verstehen, die Gäste abzufüllen ohne selber mit trinken zu müssen.
Heute schallt – vielleicht zur Feier unseres Eintreffens? – nerviger Eurotechno aus den Boxen. Chinesen sind unkonventionell, was Musikauswahl für Geschäfte und Friseursalons angeht. Aber immerhin ist es nicht “The Rose” von Bette Midler oder Scarborough Fair. Beides habe ich hier in 4 Wochen öfters gehört als in meinem ganzen Leben zuvor, denn diese beiden Evergreens werden von den rollenden CD-Raubkopie-Händlern auf voller Lautstärke hoch und runter gedudelt. Wenn man den englischen Text nicht beachtet, plätschern beide Lieder aber tatsächlich genauso vor sich hin wie die Chinarestaurant-Musik bei uns in Deutschland. Das kann kein Zufall sein…
Zurück in die Bar! Nach dem ersten Pitscher Bier tauchen nämlich nebenan zwei jugendliche Chinesen Mitte 20 auf, und plötzlich merke ich, dass meine zwei Kollegen und ich im Rampenlicht zu stehen scheinen. Die Chinesen reden uns plötzlich auf chinesisch an, und ebenso schnell ist klargestellt, dass wir kein Wort verstehen sowie sie dafür kein Englisch können. Erst die Bartenderin schafft Klarheit: wir sähen wie Filmstars aus. Und ich wie Beckham. Das Kompliment muss erstmal sacken.
Es kommt von einem Kerl Mitte 20 mit schwarzer Bruce-Lee-Mähne und einem Erkan-und-Stefan Schnauzbart. Er mag scheinbar meinen Kurzhaarschnitt – wie ein Kung-Fu-Kämpfer sähe das aus – und den Vollbart meines griechischen Kollegen. Wir geben hier wahrlich großartige Ausländerklischees ab.
Wie dem auch sei… er macht eine Fotogeste und reicht erstmal seine Visitenkarte rüber, die ich kulturell angemessen mit beiden Händen und überschwänglicher Dankbarkeit in Empfang nehme. Fotograf ist er. Ich versuche drumrum zu kommen, meine Visitenkarte herauszurücken (es ist sowieso eine deutsche), aber nachdem mein Kollege seine hergibt, kann ich meine nicht zurückhalten. Unser Gegenüber macht die Telefongeste aus Daumen und kleinem Finger und ich habe wohl soeben einem Fotoshooting eingewilligt. Ich hoffe er ruft mich nicht an (fürchte aber, es wird so kommen).
Mit ein paar Bier und Zigaretten (ich lehne letzteres dankend ab) als internationales Völkerverständigungsmittel ist schnell eine Kommunikation aufgebaut. Alles was nicht nach 1 Minute wildem Herumgefuchtel verständlich gemacht werden kann übersetzt uns die eilig herbei gerufene Kellnerin. Zuerst lernen wir, aus welchen Ländern wir kommen:
dé guó – Deutschland (quasi: D-Land)
xi là – Griechenland
Das restliche Vokabular sitzt bei mir bereits:
gān bēi – cheers (wörtlich “leeres Glas”, also ist nicht Nippen angesagt, sondern “hau wech!”)
zài jiàn – Auf Wiedersehen [gesprochen: dsai dschiä]
Neu erlerne ich:
bù yào – nein danke
“habi?” fragt mich der Fotograf? Wir einigen wir uns darauf, dass er damit “happy” meint, die Kellnerin übersetzt im Vorbeigehen, dass unser Trinkkumpane es toll findet mit uns anzustoßen und PROST! eine neue Runde ist eingeschenkt.
Das weitere Gespräch beschränkt sich auf die abenteuerlichen Versuche, uns gegenseitig die Zahlen bis 10 beizubringen. Ich hab sie eigentlich schon seit Wochen gepaukt – bis auf die verflixte neun, die ich einfach immer vergesse. Doch unser Gegenüber nuschelt entweder nach den ganzen Bier oder er spricht Shanghainesisch statt Mandarin.
i – er – san – se – oh – liu – dschi – ba – (mist) – se
one – two – dree – fooo – eif – six – seben – eigh – nein – tenn
So radebrechen wir uns die Zahlen durch, die wir auf einem Zettel notieren. Den Tonfall malt der Chinese mit dem Zeigefinger in die Luft. Ich schaffe den Unterschied von 4 und 10 und PROST! wird angestoßen und ich ernte einen erhobenen Daumen.
Nach ein paar weiteren “Gan Bei” und einer Schüssel Erdnüssen ist der Abend zu Ende. Wir verabschieden uns, und gehen unsere eigenen Wege. Aber nicht, ohne uns zuvor wieder zu verabreden in die ominöse Eckkneipe. Als Erkennungszeichen wird ein Anruf dienen, bei dem mir ein Chinese die Zahlen von 1 bis 10 auf unverständlichem Englisch aufzählen wird…
Chinesisch Essen 4
Im SZ Magazin ist ein interessanter Artikel erschienen über einen deutschen Sternekoch, der sich intensiv mit der chinesischen Küche befasst hat. Soweit ich es als reiner Essenskonsument hier beurteilen kann ist alles wahr, was er sagt 🙂 Besonders, dass Chinesen dem Essen einfach eine ganz andere Bedeutung zuordnen, also einer für die gesamte Runde einfach ein paar Speisen ordert von denen jeder mitisst und am Schluss einer die Rechnung begleicht.
Interessant ist auch, mit welchen Gewürzen gearbeitet wird, und wieso die Chinarestaurants in Deutschland null mit der richtigen chinesischen Küche zu tun haben.
Eine gute Gelegenheit, alle Essensfotos loszuwerden, die sich inzwischen angesammelt haben. Rechts im Bild handelt es sich um den “Hot Pot”, eine Schüssel mit zwei getrennten Seiten, in denen eine Gemuesebrühe und eine scharfe Brühe vor sich hinkocht. Wie beim Fondue werden allerlei Sachen reingeworfen. Anders als beim Fondue verteidigt hier aber niemand seine Brocken bis auf’s Blut, sondern man fischt einfach drin rum und schaut was wieder auftaucht.
Links haben wir einen typischen Restaurantbesuch, zu dem uns Kunden eingeladen haben. Es ist hier üblich, dem Gast Respekt zu zollen, indem man erstmal gehörig auffahren lässt. Je mehr übrig bleibt, so scheint es, desto mehr respektiert einen der Gastgeber. Reis bestellt man übrigens immer extra, und das scheinen auch hauptsächlich nur Westler zu machen.
Solche Hygieneschilder hängen in fast allen Restaurants. Bedenkt man die enorme Lobbyarbeit der Gastroverbände, wenn es bei uns um Raucher- und Nichtraucherbereiche geht, so möchte ich gar nicht wissen, wie groβ das Getöse wäre, wenn man in Deutschland derartige Schilder anbringen müsste. In China interessiert es allerdings auch niemanden, dass ein Lokal einen roten Smiley hat 🙂
Nanpu Bridge
Eines der ersten Bilder, das ich von Shanghai hatte, war diese Brücke, die ich auf dem Weg vom Flughafen in die Innenstadt überquerte. Um mehr als 360 Grad dreht sich die mehrspurige Auffahrtsstraße der Nanpu Bridge – so genannt, weil sie die Bezirke Nanshi und Pudong verbindet – im Kreis.
Da es seit kurzem das Amt für Wetterbeeinflussung gut mit Shanghai meint, und nasskalte 5 Grad wieder auf angenehme 15 Grad angestiegen sind, mache ich mich auf den Weg, um diesen Architekturwahnsinn nochmal näher anzuschauen.
Die Gegend ist einfach seltsam. Eine brandneue Metrostation steht hier, doch unter der Brücke fühlt man sich 2 Jahrzehnte zurück versetzt. In einem Park befinden sich eine Statue, die in ihrer heroisch-futuristischen Stahlpose entweder an Perry Rhodan oder Stalin erinnert, sowie diverse Werbeplakate für die Armee. Eine Straßenecke weiter wird gerade ein Eckgrundstück abgerissen, doch in den Ruinen scheinen noch Menschen zu wohnen. Zumindest eine Näherei befindet sich noch im Erdgeschoss. Kinder spielen auf dem Gehsteig. “Hello” rufen sie mir fröhlich auf Englisch zu, als ich vorbei gehe. “Ni hao” erwidere ich, und muss den Kopf schütteln über die Menschen hier und ihre Gegensätze.
Shanghai-Panoramas
People’s Square, ein großer Platz im Stadtzentrum von Shanghai, zeugt hier noch von sozialistischer Stadtplanung vergangener Zeiten. Das Wetter war nicht gerade gemütlich, doch bei Sonnenschein lohnt sich ein Gang durch den angrenzenden, ebenso großen Park mit einem kleinen See sowie dem “Heiratsmarkt”. Hier hängen Eltern für ihre Kinder, die noch nicht unter der Haube sind, Zettel aus mit den wichtigsten Daten und Wünschen (da geht es schon mit Anfang 20 los). Die Ehegatten in spe sind nicht anwesend, nur manche Eltern hocken hier herum, und freuen sich auf Interessenten.
Oldtown, der ehemalige alte Stadtkern von Shanghai. Er wurde irgendwann mal abgerissen wie alles alte hier, aber dann doch wieder aufgebaut, da Touristen so ein Viertel doch ganz gerne haben. Ich finde es furchtbar hier. Man kann den Händlern, die einem Spielzeug, Jadestatuen und Fake-Rolex andrehen wollen kaum entkommen. Die Aufdringlichkeit ist wirklich schlimmer, als ich es beschreiben könnte. Ein angrenzender Bambusgarten ist dagegen recht nett, doch streunende Hunde und muffiger Goldfischteich-Geruch machen auch diese Location unangenehmer als sie auf den Fotos aussieht.
Die Cloud Nine Mall, deren Inneres ich bereits am Anfang meiner Reise erwähnt hatte. Und natürlich hat sie, Untergeschosse eingerechnet, neun Stockwerke, nicht wie damals gezählt sieben.
Hair: Lost in Translation
Lang überfällig, endlich erledigt: Der Friseurbesuch. Glücklicherweise befindet sich direkt unter unserem Büro eine dieser lustigen Filialen, die mit allerlei Personal befüllt ist, das hauptsächlich grüßt und in Uniform herumsteht sowie die Umgebung (in diesem Fall unser Büro) nonstop mit Popmusik beschallt.
Ich werde sofort an einen Stuhl vor einem Spiegel gesetzt, und ein junger Knilch erscheint mit einem Quittungsblock in der Hand und nimmt wie ein Kellner meine Bestellung auf. Short. Cut cut cut. Mit meinen Fingern schneide ich mir durch die Haare. Englisch kann hier niemand und ich kein Chinesisch.
Der Knilch versteht, und übergibt mich in die Obhut von einer der dutzenden cremefarbig uniformierten Damen, die sofort ihre Finger in meine Kopfhaut gräbt. Nach ein paar Minuten rabiaten Reibens hält sie mir eine Liste unter die Nase. Mir wurde bereits davon erzählt, und ich erkenne auch das Yuan-Zeichen neben den Zahlen 10, 20 und 30. Es geht um die Auswahl des Shampoos. Ich nehme das für 20. Die Dame knetet mir das Zeug im Sitzen in die Haare und schaufelt weiter mit gelangweiltem Blick auf meinem Schädel herum. Als sie nach 5 Minuten zum zweiten Mal auch meine Ohrläppchen massiert nicke ich ihr dankend zu, und ich werde in das Hinterzimmer zum Haare ausspülen geleitet.
Als ich fertig bin, nimmt mich wieder mein Friseurknilch in Empfang. Er packt seine Utensilien vor mir aus und fängt an mir den Pony zu schneiden. Einen Millimeter. Dann einen zweiten. Ich werde ungeduldig, denn so werden meine Haare am Ende von viel zu lang auf lediglich zu lang gekürzt worden sein. Ich signalisiere ihm, dass ich es kürzer haben will und zeige mit meinen Fingern, wie ich mir das vorstelle. Er packt den Rasierer aus, und ich stimme zu.
(c) SpAvAAi, verwendet unter creative commons
Okay, ich war naiv. Aber trotzdem hätte es ja sein können, dass es wie in Deutschland funktioniert, oder wie bei den anderen Herren hier im Salon: An den Seiten kurz, aber oben schon noch eine Frisur.
Aber weit gefehlt. Bereits mit dem ersten Schwung im Handgelenk ist der Point of no return überschritten, die Nachfrage, ob es okay sei, hätte er sich somit auch sparen können. Ich zetere erst gar nicht, was ab ist ist ab. Kurze Zeit später ist auch mein restliches Haupt auf 6mm gestutzt.
Ich ziehe von dannen, und “freue” mich über eine mützentaugliche Frisur für den kommenden Winter. Think positive 🙂 Wieviel mich der Spaß gekostet hat? 3 Euro, davon wie gesagt 2 für’s Shampoo.