Die dubiose Ecke
Heute ging es mit der gesamten Belegschaft zu “Großmutters Restaurant”, mal wieder traditionell speisen. Ein Drehteller steht auf dem Tisch, und unsere chinesische Office-Dame bestellt einmal quer durch die Speisekarte. Grüne Bohnen in Wasabisoße, Tofu süß-sauer, Curry-Fischsuppe, Erdnüsse in Sojasoße, Fleischscheibchen mit Chilis, und so weiter und so fort. Highlight des Abends: die Ganze Hühnersuppe, die ihrem Namen alle Ehre macht. Ich passe, und die meisten chinesischen Kollegen ebenfalls.
Für den Rückweg zum Hotel möchte ich ein Taxi nehmen, merke dass ich in einer mehrspurigen Einbahnstraße in die falsche Richtung stehe, und entscheide mich für den Fußmarsch durch Seitenstraßen. Die Entscheidung überdenke ich bereits nach ein paar Metern, denn die wenig beleuchtete Seitenstraße erzeugt zum ersten Mal seit meiner Ankunft in Shanghai ein mulmiges Gefühl in mir. Doch noch gibt es hier genügend kleine Läden, in denen noch Betrieb herrscht. Vor einem Eisenwarenhandel schweissen ein paar Leute an einem Taxi herum.
An der nächsten Kreuzung, einem kleinen Platz, der mit Open-Air-Grills noch richtig belebt ist, müsste ich links ab – doch hier greift nun endgültig mein Fluchtreflex. Die Gasse ist pechschwarz.
Also laufe ich weiter geradeaus, und auch hier bin ich bald alleine unterwegs. Ein Müllhaufen türmt sich an einer Mauer auf. Die Dächer der anliegenden niedrigen Häuser sind voller Gerümpel und Gerüste. In einer Behausung, die man nur als Verschlag bezeichnen kann, läuft ein alter Fernseher, der seinem einzigen Zuschauer das Bild beinahe vollständig durch heftiges Rauschen vorenthält. Ich biege um eine Ecke in die nächste größere Straße, die mich – wenn mich die Orientierung nicht täuscht – wieder eher Richtung Hotel bringen wird.
Hier laufe ich plötzlich neben adretten Mauern, an einem Tor zu irgendeiner Akademie stehen sogar Soldaten Wache. Dennoch sind meine Schritte bestimmter und hastiger. Noch eine weitere Straßenecke, und ich bin wieder in bekanntem Terrain, in der Nähe von Büro und Hotel. Hier sind noch Gemüseläden hell beleuchtet, und Mütter kaufen mit ihrem Kind auf dem Arm um Mitternacht noch Grünzeug ein.
Rückblickend war mein mulmiges Gefühl wohl übertrieben. Zig Taxis kamen mir auf meinem Weg entgegen, und alle Passanten waren eher Pärchen auf dem Heimweg. Ich habe zu viele Filme geguckt, und schon verselbständigen sich die ewig gleichen Bilder von Seitengassen, in denen das Böse lauert… Ich glaube nicht, dass man Grund hat, sich in Shanghai unsicher zu fühlen. Sagt zumindest der Lonely Planet. Und der muss doch Recht haben 🙂
Lach- und Sachgeschichten
Mirinda und 7UP, dessen Schriftzeichen hier “7 Happy” bedeuten. Westliche Hersteller benötigen ein bisschen Kreativität, um in China populär zu sein, denn mit einer bloßen lautmalerischen Umsetzung des Namens in chinesische Schriftzeichen ist es nicht getan. Der Legende nach hatte es Coca Cola vor einigen Jahren auf die einfache Tour versucht, doch der Name bedeutete irgendetwas mit Kaulquappe. Heute nennt sich das Getränk “kě kǒu kě lè”, was fast so klingt, aber “möge der Mund sich freuen” heißt. Ein Abstecher in’s Wörterbuch verrät uns, dass auch andere Marken einen wohlklingenderen Namen für sich erdacht haben: BMW nennt sich z.B. “bǎo mǎ” (wertvolles Pferd).
So, das waren die Sachgeschichten. Deshalb hier noch ein Foto zum schmunzeln:
Straßenküche
Ein Spaziergang in Richtung der Altstadt führt mich zuerst in die Nanjing West Road, dem bislang touristischsten Teil von Shanghai, den ich besucht habe. Die schön gepflasterte Einkaufsmeile ist voller westlicher Läden, aus denen einem Singing in the Rain oder Britney Spears entgegen plärrt, alle fünf Meter weicht man entweder einem dicken Touristen mit Kamera aus oder einem der fliegenden Fake-Rolexverkäufer. Disneyland pur. Es ist schlichtweg grauenhaft.
Also nichts wie rein in die nächste Seitenstraße. Ah, kleine Lebensmittel- und Eisenwarenläden, staubige Luft plus der subtile Geruch von Abwasser. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal bevorzuge, und schon gar nicht nach lediglich 2 Wochen. Ein paar Ecken weiter stehe ich plötzlich wieder in Menschenmassen, hier jedoch größtenteils chinesische Touristen. Und dann diese Straßenküche.
Erst gehe ich vorbei, doch dann denke ich was soll’s und stelle mich erstmal abseits hin, um die Einheimischen zu beobachten. Wie funktioniert die Auswahl, wieviel Yuan legt er hin? Denn ich kann mir vorstellen, mich hier wieder nur mit Händen und Füßen verständigen zu können. Als ich dran bin reicht allerdings das bereits eingeübte “yi gè” und ein Fingerzeig auf die gewünschte Nudelsorte und die Show beginnt. Schwuppdiwupp ist der Wok hinter dem Wagen in irgendeinem dubiosen Wassereimer ausgewaschen, kurz erhitzt, Öl rein, Sojasoße, Chili, Sojasprossen, irgendein Kohl und die Nudeln. Für 5 Yuan (50 cent) bekomme ich eine Riesenportion mit Stäbchen in einer kleinen Styroporschachtel und freue mich über die besten Nudeln, die ich hier jemals hatte. Kein knorpeliges Fleisch, kein stinkender Tofu. So, wie es der westliche Magen mag.
Chinesisch Essen 3
Natürlich gibt es auch McDonalds in China, genauso wie dutzende KFCs und Starbucks. Obwohl die Auswahl an chinesischen, vietnamesischen oder thailändischen Schnellrestaurants groß ist, kann man als Westler natürlich nicht widerstehen, auch mal den hiesigen Mäckie auszuprobieren.
Die Karte ist touristenfreundlich zum draufzeigen vorhanden. Mein Kollege nimmt ein Burgermenü, ich den McChicken. Er hat mehr Glück. Der McChicken ist nämlich im Gegensatz zum Hackfleisch anders als in Deutschland. Er sieht auf den ersten Blick aus wie ein Stück Hühnerbrust, doch eine glibberige Schwarte ist mit dran. Schmecken tut er auch anders, und das nichtmal schlecht. Mehr Sojasoße, weniger Mayo, aber einmal reicht mir.
Zum heutigen Mittagessen ist also eine Alternative angesagt. Direkt neben dem McDonalds gibt es eine kleine Küche für Dumplings und Suppen mit Überraschungsfleischeinlage. Während ich noch am Überlegen bin, ob ich mir das antun soll – schließlich gibt es hier keine verständlichen Buchstaben weit und breit – bemerke ich, dass eine großgewachsene Chinesin im schicken Businesskostüm 2 Nudelsuppen bestellt. So schlimm kann die Location also nicht sein. Ich stelle mich an (d.h. ich lungere irgendwie vor den Dumplingkörben herum) und warte. Die Brühe, die sich die Chinesin in Plastikbecher schütten lässt, sieht ein bisschen undefiniert aus. Ich überlege, ob ich Suppe oder Dumplings will. Der Koch bemerkt mich, und nimmt mir die Entscheidung ab.
Er zeigt auf die Dumplingkörbchen, ich nicke, strecke den Zeigefinger hoch und sage “yi gè” (“ein Stück”). Zahl + “gè” ist hier die Standardzählweise, und sehr nützlich wenn man die dutzenden verschiedenen Zählwörter für runde, flache, große oder kleine Dinge nicht kennt. Der Apostroph zeigt einen abfallenden Ton an, so dass sich gè eigentlich eher wie ein “gu” anhört, das einem im Rachen stecken bleibt.
Zumindest die Geste wurde verstanden und der Dumplingkoch schiebt einen Korb Maultaschen über das brodelnde Wasser. Dann fragt er mich noch etwas, und ich verstehe natürlich gar nix. “To go or to eat here” schallt es mir plötzlich von links entgegen. Die große Chinesin übersetzt für mich mit einem Lächeln, und ich lächle zurück. To go. “Seven yuan” sagt sie mir noch und packt ihre Nudelsuppen ein. “Xiè xiè” bedanke ich mich, sie grinst und schon wird meine hilfreiche Fee vom Fußgängerstrom davongetragen.
xièxie – Dankeschön
[gesprochen: che che, das ch wie in “ich” mit einem Tick vom scharfen S]
xièxiè – der Durchfall
[gesprochen: che che, das ch wie in “ich” mit einem Tick vom scharfen S]
Chinesisch Essen 2
Hier haben wir eine kleine Ausbeute vom Supermarkt gegenüber. Es macht Spaß, Dinge auf Verdacht zu kaufen und zu sehen wie sie schmecken. Hunderte von Nudelsuppen warten ebenfalls auf Degustation. Zum Glück ist vieles auch Englisch beschriftet. Beef with Sauerkraut gefällig?
Auf Apfelschorle musste ich jedoch bislang verzichten. Das Cider ist pervers süß und das was ich für Wasser hielt (bläulich schlicht und ohne bunten Schnickschnack können doch nur Wasserflaschen sein, oder?) schmeckt wie Sprite. Lehre: Wort für Wasser lernen und am Kiosk bestellen. Shui heißt das nämlich. Einfach zu merken und sprechen, nicht nur für Anhänger fernöstlicher Einrichtungsphilosophien. Und zusammen mit der Mengenangabe ergibt sich eine Flasche Wasser:
yi píng shuǐ
[gesprochen: ii ping schui]
Aber Vorsicht, ping heißt auch Apfel. Aber solange es nicht Dumpfbacke heißt… 🙂
Die Chinesischen Oreos schmecken übrigens wie gewohnt. Snickers, M&Ms und das ganze bekannte Zeug liegt hier ebenfalls in den Regalen. Verhungert wird vorerst nicht.
Chinesisch Essen 1
Essen ist natürlich ein ganz großes Thema. Fangen wir also mit meinen ersten subjektiven Beobachtungen an. Die wichtigste: Das Essen hier ist verdammt lecker. Die zweite: die Darreichungsform lässt mitunter zu wünschen übrig. Let me explain…
Meine erste Essensbegegnung war ein Geschäftsessen. Es waren ungefähr 20 Leute vom Chinesischen Produktionsteam da und haben es in einem Restaurant ordentlich krachen lassen. So einen Einstand bekommt man selten. Wie üblich werden zig Gerichte auf einem Drehgestell angerichtet und jeder nimmt von allem. Es gab allerdings keinen Reis dazu.
An sich war alles lecker. Besonders die Chili-Garnelen. “Ah, that’s western style. We don’t eat like that” hieß es dann vom Produzenten. Sehr interessant. Also weiter. Vielleicht die Tofu-Suppe?
…
Fazit: klare, eher schleimige Soßen schmecken widerlich. Das bestätigt sich später auch bei ein paar Pilzen. Den Geschmack trifft man in Deutschland so nicht an, und ich kann nicht sagen von welchem Gewürz er rührt.
Aber zurück zu den Sachen die schmecken, die in ihrer Darreichungsform aber gewöhnungsbedürftig sind. Fleisch zum Beispiel. Es ist hier üblich, Knochen- und Knorpelstücke mit im Essen zu haben. Das Zeug wird einfach gehackt, und rein damit. Die Stücke muss man eben gekonnt abknabbern und wieder ausspucken (auf den Tisch oder Boden – wie befürchtet – bislang aber noch nicht, ich glaube die Stadt-Chinesen sind inzwischen zivilisierter geworden). Huhn und Rind sind dafür Kandidaten.
Schweinefleisch hat ein anderes Problem. Die Schwarte ist mit dran. Aber: sie schmeckt nicht nach glibberigem Fett oder kaugummiartiger Masse. Sie ist super weich und schmeckt wie das Fleisch selber. Wie dieses Kochwunder zu Stande kommt weiß ich nicht und mir soll’s Recht sein. Kürzlich hatte ein Kollege jedoch ein Stück Schwein vom Liefersevice, von dem uns eine Borste zugewunken hat. Das ist dann schon eher ein kleiner Appetitzügler.
Aus Essen: 3.Top
Das Restaurant “3.Top” im Ausgehviertel French Concession ist ein sehr schickes Restaurant mit Bar/Zigarrenlounge und Terrasse. Das Interieur ist modern und weiß, die KellnerInnen alle in Schwarz, die Essstäbchen aus knorrig geformten dunklen Holz. Westlerbesteck gibt es aber auch gleich dazu.
Zusammen mit 2 Kollegen ordern wir ein paar Speisen, die wie üblich so portioniert sind, dass man ca 2 braucht um satt zu werden, aber man von allem mal probieren kann: Sashimi (Sushi ohne den Reis) und Thuna-Sushi mit Chilisoße, scharfer Thai-Salat mit Rindfleischstreifen, Mixplatte (mit Sate-Spießen, frittiertem Fisch und sowas wie Frikadellen), Rochen in Bananenblättern gegrillt und Tandoori-Chicken. Alles ist ein Gaumenschmaus und es ist raffiniert angerichtet und dekoriert.
Dazu noch eine Flasche Shiraz und alles in allem kommen wir auf weniger als 300 Yuan pro Person (30€). Obwohl es noch billig war, merkt man dass es hier schon Westler-Preise sind. Für ähnliches Flair hätte man in Deutschland allerdings schon nochmal ordentlich draufgelegt, und vielleicht sogar ein Sternerestaurant besuchen müssen: Bis zu 3 KellnerInnen gleichzeitig wuseln um den Tisch herum und richten Besteck her, legen einem die Serviette auf den Schoβ und praesentieren die Weinkarte.