Rückkehr nach Old Town
Obwohl mich der touristische Stadtteil “Old Town” mit seinen aufdringlichen Fake-Rolex-Verkäufern bereits abgeschreckt hat, ging es zwischen den Jahren nocheinmal auf Erkundungstour in diesem Gebiet – Besuch aus der Heimat sei Dank. Und siehe da, es gibt tatsächlich Kleinode zu finden!
Der Konfuziustempel zum Beispiel. Eintritt 20 Yuan plus Spende für den informativen Tourguide (“want to give me a tip? I’m a stundent…”). Aber was soll’s, jetzt wissen wir wenigstens, dass Konfuzius ein schlauer Lehrmeister war und mit welchem Fuß man die Türschwellen überschreitet, um Böses abzuwenden.
An der Nordseite des Tempels entdecken wir durch Zufall einen Büchermarkt, der in keinem Reiseführer erwähnt ist. Es ist ein skuriles Erlebnis: In gut zwei Dutzend garagenähnlichen Läden stapeln sich brandneue Bücher und eingeschweißte Zeitschriften (die asiatischen Ausgaben von Cosmo usw…) und überall wird kistenweise neue Ware angeliefert und entpackt. Wohin das alles verkauft wird weiß ich nicht, denn trotz geschäftigem Treiben sind wir fast die einzigen Kunden. Und die einzigen Westler sowieso.
Weiter geht’s durch Gassen die ebenfalls von Westlern wohl selten betreten werden in Richtung Old Town. Auf dem Antikmarkt dürfen wir uns von Wegelagerern die Schuhe putzen lassen und bestaunen den “antiken” Tand, der hier überall angeboten wird. Gleich nebenan findet sich der Haustier- und Insektenmarkt, der wiederum ein Erlebnis ist. In engen, überdachten Gassen sitzen Händler mit allerlei Käfigen und Dosen, in denen Hamster, Katzen, Sittiche und Riesenheuschrecken sitzen.
Direkt im Zentrum des touristischen Old Towns, zwischen Tee- und Krimskrams-Läden und Hundertschaften von Rolexverkäufern befinden sich die Yu Yuan-Gärten. Sie sind der Touristenmagnet schlechthin, aber dank eher kühlerem Wetter und der winterlichen Jahreszeit ist er nicht überlaufen. Die verwinkelten Steingärten mit Brücken und Pagoden sehen so aus, wie man China sonst nur von den kitschigen Plastikunterlagen im Chinarestaurant kennt.
Zu guter Letzt decken wir uns mit Tee, Teetassen, Essstäbchen und sonstigen Mitbringseln ein und machen uns auf den Heimweg. Ich revidiere also meine ursprüngliche Abneigung gegenüber Old Town. Die nervigen Verkäufer muss man ignorieren lernen, und ein bisschen abseits der Lonely-Planet-Empfehlungen durch die Gassen wandern. Es lohnt sich.
Lupu Bridge
Da sich am Samstag das Pendel von Smog aber warm Richtung klar aber arschkalt bewegt hatte, nutzen wir Gelegenheit, einen guten Aussichtspunkt in Shanghai zu besuchen: Die Lupu-Bridge, nach der Nanpu-Brücke ein weiteres Stahlmonster über den Huangpu River. Eigentlich hielt ich die Brücke für die weltgrößte Stahlbogenbrücke, doch Wikipedia klärt auf: Seit April dieses Jahres wurde irgendwo in China dieser Rekord bereits gebrochen. Macht nichts, die Aussicht lohnt sich auf jeden Fall.
Richtung Norden bietet sich ein beeindruckender Blick auf das Hochhäusermeer von Shanghai, unter meinen Füßen wird unter Hochdruck eine Parkanlage und Besucherfähre für die Expo gebaut und am anderen Flußufer stehen die Pavillions für die nächstjährige Expo. Über allen thront der chinesische Pavillion, ein gewaltiges Bauwerk, das ich mir beim Anblick von Fotos vorher nie so groß vorgestellt hatte. Aber das selbstbewusste China lässt sich eben nicht mehr lumpen, und stellt schonmal architektonisch klar, wer das 21. Jahrhundert anführen soll. (Oder zeigt zumindest, wo sich Architekten dank Platz und kurzer Genehmigungsverfahren noch so richtig austoben können).
Wohnung
Nach 2 Monaten im Hotel habe ich nun eine Wohnung von anderen Freelancern übernommen. Nun wohne ich also im 25. Stock chinesischer Etagenrechnung. Eigentlich ist es der 20., denn 1 ist das Erdgeschoss und es fehlen wenig überraschend die Unglückszahlen 4, 13, 14 und 24.
Es weihnachtet
Auch in Shanghai wird die Weihnachtsdeko inzwischen rausgehängt, das “Fest der Liebe” ist hier wie bei uns Halloween und der Valentinstag ein reines Schenkfest, das noch nie religiös aufgeladen war. Aber alles was funkelt und dudelt kann den Chinesen nur lieb sein, und deshalb finden sich amerikanisch anmutende Santa-Claus-Bilder an vielen Schaufenstern und rotweiße Mützen auf den Köpfen mancher Verkäufer und Verkäuferinnen.
Lebkuchen und Schnee sind in Shanghai weit entfernt, Weihnachtsstimmung keimt deshalb nicht so richtig auf. Glücklicherweise soll es hier in Shanghai einen deutschen Weihnachtsmarkt geben. Und der Markt ist nicht irgendwo, nein, er ist im Paulaner Bräuhaus! Mitten in der French Concession steht hier doch tatsächlich eine recht schicke Villa, in deren Vorgarten sie grünen Kunstrasten ausgelegt und diverse Buden aufgestellt haben. Der Eintritt kostet 10 Yuan und die werden auch gleich auf die erste Tasse Glüchwein à 50 Yuan angerechnet. Die Preise sind also für Chinesen so hoch, als würden wir in Deutschland 20 Euro für die Tasse Glühwein zahlen, und der Händler, der vor dem Haupteingang Strohsterne am Straßenrand verkauft, ruft in mir ein schlechtes Gewissen hervor.
Leichte Weihnachtsstimmung keimt dennoch auf, denn der Glühwein schmeckt tatsächlich sehr gut. Ebenso die Bratwurst, die im Anschluss verzehrt wird. Ein Aufbackbrötchen hat mir noch nie so gut und heimatlich geschmeckt, glaube ich, denn ansonsten muß man in Shanghai schon suchen, um nicht nur labbriges, gesüßtes Weißbrot zu bekommen.
Der Rest der Buden ist ebenso erfreulich authentisch. Es gibt nämlich all die Sachen, die man auch zu Hause nicht kaufen würde, die man aber auf jedem Weihnachtsmarkt findet: Töpfe, Bilderrahmen, Füller… Doch es gibt auch das eine oder andere gebastelte und chinesische (ein Grill bietet gebratene Fisch- und Muschelspezialitäten). Was glücklicherweise fehlt ist Weihnachtskitsch der amerikanischen Art. Nirgendwo dudelt uns “White Christmas” entgegen, man kann einfach in Ruhe auf Kunstrasen über ein kleines bisschen Dezember-Deutschland schlendern. Schnee wäre jetzt nicht schlecht… 🙂
(mehr Fotos in Michael’s Blog)